Tag 22

Herr, wie lange noch?

Weisheit Psalm 13,1–6
Neues Testament Matthäus 15,10–39
Altes Testament 1.Mose 43,1–44,34

Einführung

Sicher hast du dich auch schon Mal gefragt, „Herr, wie lange noch?“ Wie lange muss ich noch durchalten? Wie lange dauert dieser finanzielle Engpass noch an? Wie lange die Krankheit? Wie lange wird die Beziehungskrise noch andauern? Wie lange, bis ich die Sucht besiegt habe? Wie lange brauche ich noch, bis Trauer und Traurigkeit überwunden sind?

Meine Frau Pippa und ich besuchen gelegentlich eine unserer so genannten „Church Plants”, St. Peter‘s in Brighton. Einmal kam nach dem Gottesdienst eine Frau auf mich zu und erzählte mir, dass sie 37 Jahren lang gebetet hatte, dass ihr Mann zum Glauben kommt. 37 Jahren lang hatte sie zu Gott gefleht, „Herr, wie lange noch?“

Sie erzählte, dass als St. Peter’s dann 2009 wiedereröffnet wurde, ihr Mann den Entschluss fasste, sie in die Gemeinde zu begleiten. Während sie so am Erzählen war, gesellte sich ihr Mann zu uns und fügte hinzu, dass er sich schon beim ersten Betreten von St. Peter’s gefühlt habe, als sei er nach Hause gekommen, wie „neu geboren“. Inzwischen ist ihm die Gemeinde ans Herz gewachsen, und er kommt jede Woche. Gott hat die flehende Bitte seiner Frau erhört. Immer wieder wiederholte sie die Worte „Herr, wie lange?“ mit freudestrahlendem Gesicht.

Viermal ruft David in kurzer Folge aus, „Wie lange…?“ (Psalm 13,2-3).

In manchen Phasen unseres Lebens kommt es uns vor, dass Gott uns vergessen hat (Ps 13,2a), Als habe Er Sein Gesicht abgewendet (13,2b). Aus unerklärlichen Gründen spüren wir Seine Gegenwart nicht. Jeder Tag ist ein Kampf voller Kummer und Sorgen, den wir zu verlieren scheinen (13,3).

Weisheit

Psalm 13,1–6

Wie lange noch, Herr?

1 Ein Lied von David.
2 HERR, wie lange wirst du mich noch vergessen,
  wie lange hältst du dich vor mir verborgen?
3 Wie lange noch sollen Sorgen mich quälen,
  wie lange soll der Kummer Tag für Tag an mir nagen?
  Wie lange noch wird mein Feind über mir stehen?

4 HERR, mein Gott, wende dich mir zu und antworte mir!
  Lass mich wieder froh werden und neuen Mut gewinnen,
  sonst bin ich dem Tod geweiht.
5 Mein Feind würde triumphieren und sagen:
  »Den habe ich zur Strecke gebracht!«
  Meine Gegner würden jubeln über meinen Untergang.

6 Ich aber vertraue auf deine Liebe und juble darüber,
  dass du mich retten wirst.
  Mit meinem Lied will ich dich loben,
  denn du, HERR, hast mir Gutes getan.

Kommentar

Rufe zu Gott in der dunklen Nacht Deiner Seele

Davids Vorbild legt vier Dinge nahe, die du in schweren Zeiten weiterhin tun sollst:

•\tWeiter beten
David fleht weiter zu Gott, „Wende dich mir zu und erhöre mich, Herr, mein Gott! (13,4). In diesem Psalm schüttet er sein Herz aus bei Gott. Hör nicht auf zu beten, wenn Gott fern scheint.

•\tWeiter vertrauen
„Ich verlasse mich auf deine Liebe“ (13,6a). In guten Zeiten zu glauben, ist verhältnismäßig einfach. Am Glauben festzuhalten aber, wenn es nicht so läuft, ist eine Bewährungsprobe für den Glauben.

•\tWeiter jubeln
Er jubelt nicht über seine Anfechtungen, sondern dass Gott ihn daraus erlöst: „Ich freue mich, dass du mich retten wirst“ (13,6b); „ich juble über deine Hilfe“ (GNB).

•\tWeiter Gott mit Liedern preisen
Trotz allem, was er durchgemacht hat, ist David in der Lage, Gottes Güte zu sehen: „Ich will dem Herrn ein Loblied singen“ (13,6b). Er erinnert sich an all das Gute, das Gott schon für ihn getan hat.

Gott zu loben und mit Liedern zu preisen, schenkt eine neue Perspektive auf deine Probleme. Mir hilft es gelegentlich zurückzublicken und dem Herrn dafür zu danken, dass Er mich schon durch so viele persönliche Kämpfe, Enttäuschungen und Verluste hindurch getragen hat, und mich so zu erinnern, wie Er dabei „so gut zu mir war“ (13,6c).

Gebet

Herr, ich preise Dich heute. Du bist so gut zu mir! Herr, ich vertraue darauf, dass Du mir auch in den bevorstehenden Kämpfen helfen wirst. Ich vertraue auf Deine nicht endende Liebe.
Neues Testament

Matthäus 15,10–39

10 Dann rief Jesus die Menschenmenge zu sich: »Hört, was ich euch sage, und begreift doch: 11 Nicht was ein Mensch zu sich nimmt, macht ihn vor Gott unrein, sondern das, was er von sich gibt.«

12 Da traten die Jünger an ihn heran und sagten: »Weißt du, dass du mit deinen Worten die Pharisäer verärgert hast?«

13 Jesus entgegnete: »Jede Pflanze, die nicht von meinem himmlischen Vater gepflanzt worden ist, wird ausgerissen werden. 14 Lasst euch nicht einschüchtern! Sie wollen Blinde führen, sind aber selbst blind. Wenn nun ein Blinder einen anderen Blinden führen will, werden beide in die Grube fallen!«

15 Da sagte Petrus: »Erklär uns doch noch einmal, was einen Menschen unrein macht!«

16 Jesus fragte: »Selbst ihr habt es immer noch nicht begriffen? 17 Wisst ihr denn nicht, dass alles, was ein Mensch zu sich nimmt, zuerst in den Magen kommt und dann wieder ausgeschieden wird? 18 Aber die bösen Worte, die ein Mensch von sich gibt, kommen aus seinem Herzen, und sie sind es, die ihn vor Gott unrein machen! 19 Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken wie Mord, Ehebruch, sexuelle Unmoral, Diebstahl, Lüge und Verleumdung. 20 Durch sie wird der Mensch unrein, nicht dadurch, dass man mit ungewaschenen Händen isst.«

Der unerschütterliche Glaube einer nichtjüdischen Frau

21 Danach brach Jesus auf und zog sich in das Gebiet der Städte Tyrus und Sidon zurück. 22 Dort begegnete ihm eine kanaanitische Frau, die in der Nähe wohnte. Laut flehte sie ihn an: »Herr, du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Meine Tochter wird von einem bösen Geist furchtbar gequält.«

23 Aber Jesus gab ihr keine Antwort. Seine Jünger drängten ihn: »Erfüll doch ihre Bitte! Sie schreit sonst dauernd hinter uns her.«

24 Jesus entgegnete: »Ich habe nur den Auftrag, den Menschen aus dem Volk Israel zu helfen. Sie sind wie Schafe, die ohne ihren Hirten verloren umherirren.«

25 Die Frau aber kam noch näher, warf sich vor ihm nieder und bettelte: »Herr, hilf mir!«

26 Jesus antwortete wieder: »Es ist nicht richtig, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden hinzuwerfen.«

27 »Ja, Herr«, erwiderte die Frau, »und doch bekommen die Hunde die Krümel, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen.«

28 Da sagte Jesus zu ihr: »Dein Glaube ist groß! Was du willst, soll geschehen.« Im selben Augenblick wurde ihre Tochter gesund.

Jesus heilt viele Kranke

29 Jesus kehrte an den See Genezareth zurück. Er stieg auf einen Berg und setzte sich dort hin, um zu lehren. 30 Da kam eine große Menschenmenge zu Jesus. Unter ihnen waren Gelähmte, Blinde, Verkrüppelte, Stumme und viele andere Kranke. Man legte sie vor seinen Füßen nieder, und er heilte sie alle. 31 Die Menschen konnten es kaum fassen, als sie sahen, dass Stumme zu reden begannen, Verkrüppelte gesund wurden, Gelähmte umhergingen und Blinde sehen konnten. Und sie lobten den Gott Israels.

Viertausend werden satt

32 Danach rief Jesus seine Jünger zu sich und sagte: »Die Leute tun mir leid. Sie sind jetzt schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig wegschicken, sie würden sonst vielleicht unterwegs zusammenbrechen.«

33 Darauf erwiderten die Jünger: »Woher sollen wir hier in dieser verlassenen Gegend genügend Brot bekommen, damit so viele Menschen satt werden?«

34 »Wie viele Brote habt ihr denn?«, wollte Jesus wissen. Sie antworteten:

»Sieben Brote und ein paar kleine Fische!«

35 Da forderte Jesus die Menschen auf, sich auf den Boden zu setzen. 36 Nun nahm er die sieben Brote und die Fische. Er dankte Gott für das Essen, teilte die Brote und Fische und gab sie den Jüngern, die sie an die Leute weiterreichten. 37-38 Alle aßen und wurden satt; etwa viertausend Männer hatten zu essen bekommen, außerdem viele Frauen und Kinder. Anschließend sammelte man die Reste ein: Sieben große Körbe voll waren noch übrig geblieben. 39 Jetzt erst verabschiedete Jesus die Leute nach Hause. Er selbst aber bestieg ein Boot und fuhr in die Gegend von Magadan.

Kommentar

Folge Jesus weiter nach

Auf etwas warten zu müssen, bedeutet nicht, dass Gott Seine Zusagen nicht hält. Gott schenkt nicht immer eine unmittelbare Veränderung der Situation. Krankheit und Leid werden erst endgültig ausgelöscht, wenn Jesus wiederkommt. Diese Geschichten und unsere ganz persönlichen Wunder und Heilungen sind der Vorgeschmack auf das, was dann geschehen wird.

Gottes Freundlichkeit und Güte erkennen wir vor allem in Jesus. In unserem Abschnitt heute sehen wir einmal mehr ein Beispiel für Jesu erstaunliche Güte und wie wir mit Schuld und Sünde, mit Krankheit und Leid umgehen sollen.

•\tArbeite kontinuierlich an deinen Gedanken
Jesus sagt, wir haben keine Probleme mit oberflächlichen Dingen, wie beispielsweise, was wir essen (15,11). „Alles, was ihr esst, geht durch den Magen und verlässt dann wieder den Körper“ (15,17). Was uns schadet, kommt aus dem Inneren. „Was aber aus dem Mund herauskommt, kommt aus dem Herzen“ (15,18; GNB). Unser eigentliches Problem ist die Sünde in unseren Herzen, denn „aus dem Herzen kommen böse Gedanken wie zum Beispiel Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Lüge und Verleumdung. Das macht unrein“ (15,19-20a).

Jesu Worte werden für uns alle zur Herausforderung, denn auch wenn wir weder einen Mord oder Ehebruch begangen haben, scheitern wir doch bereits an der ersten Hürde – an den „bösen Gedanken“. Die Lösung für unsere Sünde liegt aber nicht, wie die Pharisäer propagieren, in irgendwelchen äußerlichen Ritualen. Nur Gott kann mein Herz verändern. Ich brauche Seinen Heiligen Geist, der mich verwandelt und rein macht.

•\tBete beständig für Heilung
Kaum etwas ist schwerer erträglich, als die eigenen Kinder leiden zu sehen. Die Tochter der kanaanitischen Frau litt „schlimme Qualen“ (15,22). Sie flehte mit Sicherheit auch im Herzen, „Herr, wie lange?“. Aber sie bat weiter um die Heilung ihrer Tochter und ließ sich auch dann nicht entmutigen, als es den Anschein hatte, Er würde ihrer Bitte kein Gehör schenken. „Sie lief jedoch hinter ihm her, warf sich vor ihm nieder und bat ihn wieder: „Herr, hilf mir doch!““ (15,25).

Jesus sah, ihr „Glaube [war] groß” und heilte ihre Tochter (15,28). Und dann heilte Er die „Gelähmten, Verkrüppelten, Blinden, Stummen und vielen anderen Kranken“ (15,30; GNB).

•\tSetze dich für ein Ende des Hungers in der Welt ein
Jesus kümmert Sich nicht nur um die Kranken (15,22ff), sondern auch um die Hunger Leidenden: „Mir tun diese Menschen Leid. Sie waren nun drei Tage lang bei mir, und jetzt haben sie nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig wegschicken“ (15,32).

Jesus vermag viel zu tun mit sehr wenig. Mit den wenigen Lebensmitteln, die Er zur Verfügung hatte, speist Er die Menge. Wenn du Ihm dein Leben und deine Mittel gibst, kann Er beides vervielfachen und Großes damit bewirken.

Wenn Jesus Sich schon kurzfristig um den Hunger der Menschen sorgte, wie viel mehr müssen Ihm da die Millionen von Menschen weltweit am Herzen liegen, die heute an Unter- und Mangelernährung leiden. Als Nachfolger Jesu sind wir aufgefordert, uns für diese Menschen einzusetzen und aktiv zu werden.

Man möchte meinen, alle stimmten Jesus hierin zu. Weit gefehlt. Die Pharisäer waren aufgebracht (15,12), als sie Ihn hörten. Wenn sich die Menschen schon damals an Jesu Worten stießen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass heutzutage das, wofür sich Christen und die Kirche einsetzen, viele Gemüter erregt.

Gebet

Herr, schenke mir Mitgefühl für Menschen, die leiden. Komm, Heiliger Geist.
Altes Testament

1.Mose 43,1–44,34

Zweite Reise nach Ägypten

43 1 Die Hungersnot in Kanaan wurde immer drückender. 2 Bald war das Getreide aufgebraucht, das sie aus Ägypten mitgebracht hatten. »Geht wieder nach Ägypten und kauft etwas!«, bat Jakob seine Söhne.

3-5 Juda erwiderte: »Der Mann hat uns ausdrücklich gesagt: ›Lasst euch nicht mehr hier blicken, außer ihr bringt euren Bruder mit!‹ Wir können also nur gehen und Getreide kaufen, wenn du Benjamin mit uns kommen lässt! Sonst hat unsere Reise keinen Sinn.«

6 »Warum habt ihr dem Mann überhaupt erzählt, dass ihr noch einen Bruder habt? Musstet ihr mir das antun?«, fragte Jakob.

7 »Der Mann hat sich genau nach unserer Familie erkundigt«, entgegneten sie. »Er wollte wissen, ob unser Vater noch lebt und ob wir noch einen Bruder haben. Konnten wir denn ahnen, dass er sagen würde: ›Bringt euren Bruder mit‹?«

8 Juda schlug vor: »Vertrau mir den Jungen an! Dann können wir losziehen, und keiner von uns muss verhungern. 9 Ich übernehme für ihn die volle Verantwortung. Wenn ich ihn dir nicht gesund zurückbringe, will ich mein Leben lang die Schuld dafür tragen! 10 Wir könnten schon zweimal wieder hier sein, wenn wir nicht so lange gezögert hätten!«

11 Da gab Jakob nach: »Wenn es sein muss, dann nehmt Benjamin mit. Bringt dem Mann etwas von den besten Erzeugnissen unseres Landes: kostbare Harze, außerdem Honig, Pistazien und Mandeln. 12 Nehmt doppelt so viel Geld mit, wie ihr braucht, und gebt den Betrag zurück, der oben in euren Säcken lag. Vielleicht war es ja nur ein Versehen. 13 Macht euch mit Benjamin auf den Weg. 14 Ich bete zum allmächtigen Gott, dass der ägyptische Herrscher Mitleid mit euch hat und Simeon und Benjamin freigibt. Und wenn ich meine Kinder verliere, dann muss es wohl so sein!«

15 Die Brüder nahmen die Geschenke und den doppelten Geldbetrag und zogen mit Benjamin nach Ägypten. Dort meldeten sie sich bei Josef. 16 Als Josef sah, dass Benjamin dabei war, sagte er zu seinem Hausverwalter: »Diese Männer werden heute Mittag mit mir essen. Führe sie in meinen Palast, schlachte ein Tier und bereite ein gutes Essen vor!«

17 Als der Verwalter die Brüder aufforderte, ihm in Josefs Palast zu folgen, 18 erschraken sie. »Sicher werden wir dort hineingeführt, weil das Geld in unseren Säcken war!«, dachten sie. »Jetzt werden sie uns überwältigen, die Esel wegnehmen und uns zu Sklaven machen!«

19 Am Eingang zum Palast sagten sie zu dem Verwalter: 20 »Bitte, Herr, wir waren schon einmal hier, um Getreide zu kaufen. 21 Auf dem Rückweg übernachteten wir in einer Herberge. Als wir dort unsere Getreidesäcke öffneten, lag in jedem das Geld, mit dem wir bezahlt hatten. Jetzt haben wir es wieder mitgebracht, 22 zusammen mit neuem Geld, um noch einmal Getreide zu kaufen. Wir können wirklich nicht sagen, wer das Geld in unsere Säcke getan hat!«

23 »Macht euch keine Sorgen, es ist alles in Ordnung«, beruhigte sie der Hausverwalter. »Euer Gott muss es heimlich hineingelegt haben, denn ich habe euer Geld bekommen!« Dann brachte er Simeon zu ihnen

24 und führte sie in den Palast. Dort gab er ihnen Wasser, damit sie sich die Füße waschen konnten, und fütterte ihre Esel. 25 Sie nutzten die Zeit, um ihre Geschenke für Josef zurechtzulegen; inzwischen hatten sie nämlich erfahren, dass sie mit ihm zu Mittag essen würden.

26 Als Josef eintrat, überreichten sie ihm die Geschenke und warfen sich vor ihm nieder. 27 Er erkundigte sich, wie es ihnen ging. »Was macht euer alter Vater, von dem ihr mir erzählt habt?«, fragte er. »Lebt er noch?«

28 »Ja, Herr«, antworteten sie, »und es geht ihm gut.« Dann warfen sie sich erneut vor ihm nieder.

29 Josef sah seinen Bruder Benjamin an, den Sohn seiner eigenen Mutter, und fragte: »Das ist also euer jüngster Bruder, von dem ihr mir erzählt habt? Gott segne dich!« 30 Der Anblick Benjamins bewegte ihn so sehr, dass ihm die Tränen kamen. Er lief hinaus und weinte in seinem Zimmer.

31 Dann wusch er sein Gesicht und ging wieder zurück. Mühsam beherrschte er sich und befahl seinen Dienern, das Essen aufzutragen.

32 Josef hatte einen eigenen Tisch, die Brüder aßen an einem anderen, und an einem dritten saßen die Ägypter, die mit dabei waren. Ihre Religion verbot es den Ägyptern nämlich, mit den Hebräern an einem Tisch zu essen, weil sie dadurch unrein würden. 33 Josefs Brüder saßen ihm gegenüber. Jeder hatte seinen Platz zugewiesen bekommen, und zwar genau nach der Reihenfolge ihres Alters. Sie blickten sich erstaunt an. 34 Als Zeichen der besonderen Ehre ließ Josef ihnen von den Gerichten auftragen, die auf seinem Tisch standen. Benjamin bekam einen sehr großen Anteil – fünfmal so viel wie seine Brüder! Dazu tranken sie Wein. Es war eine fröhliche Feier.

Der verhängnisvolle Becher

44 1 Nach dem Essen gingen die Brüder in ihre Unterkunft. Als sie fort waren, sagte Josef zu seinem Hausverwalter: »Füll jeden Sack mit so viel Getreide, wie sie tragen können. Dann leg heimlich bei jedem das Geld wieder hinein. 2 Meinen silbernen Becher verstau in Benjamins Sack, zusammen mit seinem Geld!« Der Verwalter führte den Befehl aus.

3 Früh am nächsten Morgen ließ man die Brüder mit ihren voll bepackten Eseln wieder abreisen. 4 Sie hatten gerade erst die Stadt verlassen, da befahl Josef seinem Hausverwalter: »Schnell, jag den Männern hinterher! Wenn du sie eingeholt hast, frag sie: ›Warum habt ihr dieses Unrecht begangen, obwohl ihr so gut behandelt worden seid? 5 Warum habt ihr den silbernen Trinkbecher meines Herrn gestohlen, mit dessen Hilfe er die Zukunft voraussagt? Das ist ein Verbrechen!‹«

6 Der Verwalter eilte den Brüdern nach, und als er sie erreicht hatte, wiederholte er die Worte seines Herrn. 7 »Warum beschuldigst du uns so schwer?«, fragten sie ungläubig. »Niemals würden wir das tun! 8 Du weißt doch, dass wir das Geld zurückgebracht haben, das wir nach unserer ersten Reise in den Säcken fanden. Warum sollten wir jetzt Silber oder Gold aus dem Palast deines Herrn stehlen? 9 Wenn du bei einem von uns den Becher findest, dann soll er sterben! Und wir anderen werden für immer deinem Herrn als Sklaven dienen!«

10 »Gut«, erwiderte der Verwalter, »aber nur der soll ein Sklave werden, bei dem der Becher gefunden wird, die anderen sind frei.«

11 Hastig stellte jeder seinen Sack auf die Erde und öffnete ihn. 12 Der Verwalter durchsuchte alle Säcke sorgfältig, er ging der Reihe nach vom Ältesten bis zum Jüngsten, und schließlich fand er den Becher bei Benjamin. 13 Da zerrissen die Brüder ihre Kleider vor Verzweiflung, beluden ihre Esel und kehrten in die Stadt zurück.

14 Josef war noch in seinem Palast, als Juda und seine Brüder dort ankamen. Sie warfen sich vor ihm nieder. 15 »Warum habt ihr das versucht?«, stellte Josef sie zur Rede. »Ihr hättet wissen müssen, dass ein Mann wie ich so etwas durchschaut!«

16 Juda antwortete: »Was sollen wir jetzt noch zu unserer Verteidigung vorbringen? Es gibt nichts, womit wir uns rechtfertigen könnten. Gott hat eine Schuld von uns bestraft. Darum sind wir alle deine Sklaven – nicht nur der, bei dem dein Becher gefunden wurde!«

17 »Nein, auf keinen Fall!«, entgegnete Josef. »Nur der ist mein Sklave, der den Becher gestohlen hat, ihr anderen seid frei und könnt unbehelligt zu eurem Vater zurückkehren!«

18 Da trat Juda vor und sagte: »Herr, bitte höre mich an! Ich weiß, dass man dir nicht widersprechen darf, weil du der Stellvertreter des Pharaos bist. Bitte werde nicht zornig, wenn ich es trotzdem wage! 19 Herr, du hattest uns gefragt, ob wir noch einen Vater oder einen anderen Bruder haben. 20 Wir antworteten: ›Wir haben einen alten Vater und einen Bruder, der ihm noch im hohen Alter geboren wurde. Er ist der Jüngste von uns. Sein Bruder ist gestorben. Ihre Mutter war die Lieblingsfrau unseres Vaters und hatte nur diese zwei Söhne. Darum liebt unser Vater den Jüngsten besonders!‹

21 Da hast du von uns verlangt, ihn herzubringen, um ihn mit eigenen Augen zu sehen. 22 Wir entgegneten: ›Herr, sein Vater würde sterben, wenn er ihn verließe!‹ 23 Du gingst nicht darauf ein und sagtest: ›Ohne ihn dürft ihr euch nicht mehr hier sehen lassen!‹ 24 Wir kehrten zu unserem Vater zurück und erzählten ihm alles.

25 Als er uns einige Zeit später aufforderte, wieder Getreide zu kaufen, 26 antworteten wir: ›Das geht nur, wenn du unseren jüngsten Bruder mitkommen lässt. Sonst können wir dem ägyptischen Herrscher nicht unter die Augen treten!‹

27 Da sagte mein Vater zu uns: ›Ihr wisst doch, dass meine Lieblingsfrau nur zwei Söhne bekommen hat. 28 Der eine ist verschwunden – ich habe ihn nie wieder gesehen. Sicher hat ein wildes Tier ihn zerrissen! 29 Jetzt wollt ihr mir den anderen auch noch wegnehmen. Wenn ihm etwas zustößt, bringt ihr mich ins Grab!‹

30 Darum, Herr«, fuhr Juda fort, »wenn wir jetzt zu unserem Vater kommen ohne den Jungen, an dem er so hängt, 31 dann wird er vor Kummer sterben – und wir sind schuld daran! 32 Herr, ich habe bei meinem Vater die volle Verantwortung für den Jungen übernommen und gesagt: ›Wenn ich ihn dir nicht gesund zurückbringe, will ich mein Leben lang die Schuld dafür tragen!‹

33 Darum bitte ich dich, Herr: Lass mich an seiner Stelle als dein Sklave hierbleiben und lass ihn mit seinen Brüdern zurückziehen! 34 Wie soll ich denn ohne den Jungen meinem Vater begegnen? Ich könnte seinen Schmerz nicht mit ansehen!«

Kommentar

Hoffe weiter

Gut möglich, dass Jakob wie David zu Gott gerufen hat, „Herr, wie lange?“ (Psalm 13,2a). Zwanzig Jahre trauerte er nun schon um seinen verlorenen Sohn. Und jetzt stand eine schwere Hungersnot bevor (43,1), und er musste befürchten, auch noch seinen geliebten Sohn Benjamin zu verlieren. „Warum musstet ihr mir das antun?“ (43,6), fragt er. Und resigniert, fügt er hinzu, „Und wenn ich euch auch noch verlieren muss, dann soll es wohl so sein“ (43,14).

Letzten Endes blieb Jakob nichts anderes übrig, als Gott zu vertrauen und seinen Sohn Benjamin ziehen zu lassen. Als er dazu bereit war, wendete sich die Sache zum Guten. Oft müssen wir erst loslassen und die Situation ganz in Gottes Hand legen – vielleicht mit den schlimmsten Befürchtungen – damit Gott alles zum Guten wenden kann.

Der Verfasser dieses Abschnittes in 1. Mose ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Wie er die Spannung steigert. Juda weiß, wenn sein Vater neben Jakob auch noch Benjamin verliert, würde ihn das wahrscheinlich umbringen. Er spricht von dem „Schmerz [den] ihm das zufügen würde“ (44,34). Als Leser wissen wir natürlich die ganze Zeit, dass Josef am Leben ist und dass sich seine Träume erfüllen (43,26-28). Josef ist sehr „aufgewühlt“ und „suchte einen Ort auf, wo er weinen konnte“ (43,30; SLA).

Jakob stellt seinen Bruder auf die Probe, aber Juda hat sich sehr verändert. Früher hatte er kaltblütig den Bruder in die Sklaverei verkauft (37,26-27), jetzt ist er bereit, sein Leben zu geben, um den Bruder zu retten: „Lassen Sie mich anstelle des Jungen als Sklaven für meinen Herrn hier bleiben und lassen Sie den Jungen mit seinen Brüdern zusammen heimkehren“ (44,33).

Wir sehen, dass Gott durch alle Wendungen in der Geschichte, Sein Ziel verfolgt. Gott arbeitet die ganze Zeit an deinem Charakter, sodass du eines Tages zurückblicken und sagen kannst: der „Herr .. ist so gut [zu mir] gewesen“ (Psalm 13,6).

Jakob musste seinen „einzigen“ („er allein ist mir übrig geblieben“ 42,38) Sohn Benjamin schicken, um die ganze Familie zu retten. Wenn wir diese Geschichte durch die Brille des Neuen Testaments lesen, erinnern wir uns, dass Gott Seinen einzigen Sohn sandte, um uns zu retten.

Gebet

Herr, danke, dass Du Jesus gesandt hast, mich zu retten. Wenn ich in schweren Zeiten zu Dir rufe, „Herr, wie lange noch?“, hilf mir durchzuhalten, weiter zu beten, zu vertrauen, zu jubeln und anzubeten.

Pippa fügt hinzu

1.Mose 43,1–44,34

Das ist ein unglaublich bewegender und spannender Abschnitt. So viel Schmerz, Eifersucht, Betrug und Lieblosigkeit von allen. Josef will wissen, wie es inzwischen in ihren Herzen aussieht. Haben sie sich verändert? Tut ihnen Leid, was sie einst getan haben? Als sich seine Brüder vor ihm verneigen, muss die Versuchung groß gewesen sein zu sagen, „Erinnert ihr euch noch an meine Träume? …Hab ich es euch nicht gesagt?“ Es gibt Dinge, die nur für unsere persönliche Ermutigung oder zum Gebet gedacht sind, und die wir besser für uns behalten.

Vers des Tages

Psalm 13,6

Ich vertraue auf deine Gnade.

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Verweise

Diesen Texten liegt die englisch-sprachige Bible in one Year („BIOY“) von Nicki und Pippa Gumbel, London, England zugrunde, in der aktuelle Fassung von 2021.
Quellenangaben für Zitate im Text wurden dem englischen Original entnommen.
BIOY ist Teil von Alpha International. Alpha International ist eine Organisation („registered Charity“) in England und Wales (no. 1086179) und in Schottalnd(no. SC042906) und eine Gesellschaft privaten Rechts „by guarantee“ und registriert in England & Wales (no. 4157379). Der Hauptsitz ist „HTB Brompton Road SW7 1 JA London, England. © Copyright Alpha International 2021

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde erstellt von: Dipl. Übersetzerin Wibke Kiontke, Allgemein ermächtigte Übersetzerin EN/DE, Certified Translator EN/GE, Gutensteinstraße 12, D-61250 Usingen
Sprecher: Jörg Pasquay, Milchberg 7, 86150 Augsburg www.wortmuehle.de und Susanne Pasquay („Noch ein Gedanke meiner Frau“)

Die Bibeltexte (Lesungen) sind der Übersetzung „Hoffnung für alle®“ entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis, Basel.“

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